Über „SCHNEE“
„SCHNEE“ erzählt auf einfühlsame und doch brachiale Weise von den Umständen und Schicksalen einer Entführung. Ein Konzeptalbum, das mit jedem Kapitel ein Teil der Vergangenheit offenbart. Stück für Stück zeichnet es das innere Bild der Gedankenwelt seiner Protagonisten und gibt dabei allmählich die Vielschichtigkeit der Wahrheit preis.
Musik & Texte: Manuel Bartsch
Gaststimmen: Jenny Schauerhammer & Lena Lehmann in „Unter dem Wald“, „Zwanzig Meter“, „Neben dir“, „Sieben“
Lyrics
Unter dem Wald
Es ist kalt
Der Himmel schwer
Die Nacht war lang
Ich hör keine Schritte
Er kommt nicht mehr
Ist keiner da?
Ich bin doch hier
Unter dem Schlamm
Der Wald beginnt
Zwei Meter über mir
Ich hab geweint, wie jede Nacht
Sei Blick war kalt, er hat gelacht
Die Tür fiel zu, der Schlüssel sprang
Doch schloss sie nicht, nach seinem Gang
Ich hielt den Spalt mit letzter Not
Gelähmt von Angst, die Finger rot
Ich hab gewartet, bis er schlief
Dann schlich ich vorbei und lief!
Sein Atem liegt mir noch im Ohr
Er wachte auf – das morsche Tor
Er sah mich laufen, als er rief
„Bleib hier“ – doch ich lief!
Die Schritte schnauften hinter mir
Nah und näher, wie ein Tier
Peitschend schlug mein Herz und tief
Kam die Ohnmacht – doch ich lief!
Fast hatte er mich eingeholt
Als mich der Weg nach unten zog
In einem Erdloch schlug ich auf
Er stand am Grate – „Geh schon, lauf!“
Sein Atem
Sein Schnaufen
Sein Gehen
Sein Laufen
Sein Neiden
Sein Gieren
Sein Blicken
Sein Stieren
Sein Rufen
Sein Schreien
Sein Bitten
Sein Freien
Sein Wüten
Sein Toben
Sein Unten
Sein Oben
Keine Bewegung, seit vielen Stunden
Noch hat er mich nicht gefunden
Sein Schrei wird leiser und hört auf
Doch ich weiß – er gibt nicht auf
Es ist so still
In diesem Loch
Jemand ist hier
Ich bin nicht allein
Das fühl ich doch
Bin ich frei?
Der Weg ist weit
Der Schnee fällt sanft
Mein Bein schmerzt
Es wird wohl nicht gebrochen sein
Kein Wunsch
Es war gar kein Wunsch
Nur eine Idee
Fast wie ein Zufall
Wie tauender Schnee
Es war wie die Leere
Die in mir klang
Die in mir wuchs
Ein Leben lang
Denn all diese Zweifel
Und Menschen die schau‘n
Wem kann ich glauben
Wem kann ich trau’n
Ich bin so alleine
Keiner sieht mein Gesicht
Sie woll‘n, dass ich gehe
Das fühle ich
Sie woll’n, dass ich sterbe
Sie wollen mich nicht
Sie woll’n, dass ich fort bin
Doch ich gehe nicht
Ich bleibe hier
Ich will Leben
Und das um jeden Preis
Ich will einen
Der mich zu schätzen weiß
Ich will ein Kind
Ich will jemand
Dem ich meinen Schutz
Und Liebe schenken kann
Es war mehr als ein Wunsch
Nicht nur eine Idee
Es war wie ein Blitzschlag
Fast wie ein Fleh’n
Es war diese Leere
Die in mir klang
Die in mir tobte
Mein Leben lang
Es war mehr als ein Wunsch
Nicht nur eine Idee
Es war wie ein Blitzschlag
Wie fallender Schnee
Zwanzig Meter
Schon zwanzig Stunden
Kein Zeichen von ihr
Ich lauf‘ durch die Straßen
Auf der Suche nach dir
Niemand hat dich gesehen
Alle haben weg geschaut
Was ist geschehen
Ich hab dir vertraut
Schon zwanzig Stunden
Kein Zeichen von ihr
Du hast nur gelacht
Ich sagte „Gib acht!“
„Es sind nur zwanzig Meter“
Hast du gesagt, „von hier“
Du hast nur gewunken
Als du gingst von mir
Einhundert Männer
In Uniform
Durchkämmen die Wälder
Marschieren im Sturm
Ich seh‘ noch dein Lachen
Ich seh‘ es jeden Tag
Ich seh‘ es jede Nacht
Jede verdammte Nacht
Einhundert Fragen
Kein verstecken mehr
Dieses tiefe Bohren
Doch dein Bett bleibt leer
Doch sie finden nichts
Nur einen toten Hund
Sie wollen nichts wissen
Noch immer keinen Grund
Sie gaben auf
Deinen Wettlauf
Ich seh‘ noch dein Lachen
Ich seh‘ es jeden Tag
Ich seh‘ es jede Nacht
Jede verdammte Nacht
Wie viele Jahre
Ist es schon her
Du hast dein Kind verlassen
Sie vermisst dich so sehr
Doch kein Wort von dir
Seit einer Ewigkeit
Auch jetzt nur Stille
In dieser schweren Zeit
Ich spüre, sie sagt:
„Vater, rette mich“
– melde dich!
Zu viele Jahre
Suchen Sie schon
Doch keine Hoffnung
Kein einziger Ton
Dein Gesicht an jedem Baum
An jedem einzelnen Haus
In jedem einzelnen Traum
Jedem verfluchten Traum
Eine offene Akte
Ist alles, was bleibt
Und brennende Leere
In dieser hilflosen Zeit
Doch kein Wort von dir
Seit einer Ewigkeit
Ich starr in die Leere
Ich seh‘, wie es schneit
Doch kein Wort von dir
Keine Spur weit und breit
Ich spür wie dein Lachen
Allmählich verbleicht
Eine offene Akte
Ist alles, was bleibt
Ich geb niemals auf
Ich geb dich nicht auf
Sein Gesicht
Sieh mich an
Ich bin kein Monster
Ich bin ein tugendhafter Mann
Der dich liebt
Der dich beschützt
Der nicht vergisst
Woher er gekommen ist
Ein Kind wie dich
Das siehst du ein
Lässt man nicht so allein
Ich hab verzichtet – Jahr für Jahr
Hab gewartet – dass es geschah
Ich war geduldig, wie noch nie
Sah den Schnee am Fenster
Es ist nicht eines nur von vielen
Es ist die Eine unter ihnen
Es ist kein Kind wie du und ich
Ein Kind wie dich verdient man sich
Ich hab verzichtet – Jahr für Jahr
Hab gewartet – dass es geschah
Ich war geduldig, wie noch nie
Sah den Schnee am Fenster zieh‘n
Dank mir nicht
Ich halt das aus
Ich kenn den Weg
Den du suchst – da raus
Halte still
Weine nicht
Auch wenn du‘s nicht verstehst
Ich tat das alles nur für dich
Ich hab geackert – mich geschunden
Zwanzig Säcke – vierzig Stunden
Seine Glieder waren kalt
Als ich ihn verscharrte
Zwei Meter unterm Wald
Ich hab verzichtet – Jahr für Jahr
Hab gewartet – dass es geschah
Ich war geduldig, wie noch nie
Sah den Schnee am Fenster zieh‘n
Wieder und wieder, bis ich schrie
Dank mir nicht
Ich halt das aus
Ich kenn den Weg
Da ich ihn ging – da raus
Halte still
Weine nicht
Auch wenn du es nicht verstehst
Ich tat das alles nur für dich
Was du auch denkst
Was du auch tust
Wann du auch immer
Mich in deinem Kopf verfluchst
Bleibe stark
Lächel für mich
Dies ist mein Gesicht – Kind
Ich befreie Dich
Komm – Lächel für mich – Kind
Ich befreie Dich
Wie Schnee
Der Weg ist gleich
die Schritte schwer
es ist wie Damals
tot und leer
Der graue Nebel
ertränkt die Stadt
die schweigt und flüstert
und Ängste hat
Hier war kein Leben
weit und breit
da brennend mein Ruf
nach Erfüllung schreit
Mit Haaren aus Seide
und Augen aus Licht
siehst du mich stehen
beachtest mich nicht
Du hast mich gefunden
lass mich nicht geh’n
schenk deinem Vater ein Lachen
ich kann es nicht seh’n
Die Menschen um dich
erstarren zu Stein
als ich dich packte
nun warst du mein
Das Brot für die Mutter
noch fest in der Hand
schreist du um Hilfe
doch keiner verstand
Du hast mich gefunden
ich lass dich nicht geh’n
schenk deinem Vater ein Lachen
ich kann es nicht seh’n
Mit keuchendem Atem
in Sicherheit
überwältigt ob meiner
Entschlossenheit
Geknebelt liegst du
neben mir – „Sei still!“
was du auch schreist
wie ein wildes Tier
Du hast mich gefunden
ich lass dich nicht geh’n
schenk deinem Vater ein Lachen
ich kann es nicht seh’n
Du hast mich gefunden
nun lass mich nicht geh’n
schenk deinem Vater ein Lachen
wie fallender Schnee
Schenk deinem Vater ein Lachen
wie tauender Schnee
Wie Schnee.
Neben dir
Seit Tagen verhärmst du
zusehentlich
verträgst du die Fesseln
etwa nicht?
Vielleicht ist es hier
zu nass und zu kalt
ich merk wie dein Zittern
leise erschallt
und verliert –
Wie geht es dir?
Ob du wohl frierst?
Ich will, dass du nicht
leidest bei mir
Ein Bild an der Wand
mit Haus und See
erkennst du es wieder
trotz fallendem Schnee?
Du wirst dich erinnern
mit Sicherheit
du brauchst nicht zu weinen
ich geb dir die Zeit
Komm, komm in dein Zimmer
packe dich aus
im Schrank hier sind Kleider
du bist jetzt zu Haus
Zwei Wochen hab ich
geschuftet für dich
vergiss den Keller – wasch dich
und lächel für mich!
Ich gab dir das Tuch
in dem du jetzt liegst
und auch das Kissen
in das du dich schmiegst
In meinen Räumen
fühlst du dich wohl
du schläfst wie ein Engel
auf blutigem Stroh
und du träumst –
Was du wohl träumst?
Wohin du fliehst?
Wer dich jetzt hält?
Was du nun siehst?
Du hast gesprochen
letzte Nacht
ich hab dich betrachtet
ich hab dich bewacht
Du sagtest: „Mein Vater –
gib auf mich acht!
Hol mich hier raus!
Leih mir die Kraft
um zu flieh‘n –“
Warum willst du flieh‘n?
Warum willst du geh‘n?
Wohin auf der Welt
will so ein Engel ziehen?
Dein Vater – dein Vater?
Nein, das bin ich!
Sag seinen Namen
sonst erkennst du mich nicht!
Ich werde ihn töten
wie diesen Hund
du wolltest ihn streicheln
doch biss er – ohne Grund
Nun spielst du
still, im Kämmerlein
und ahnst nicht, wer neben dir
winselt und schreit
Der Mann, den du
deinen Vater nennst
verliert seine Fassung
verliert sich selbst
Der Draht aus Klingen
zerfleischt seinen Leib
die klaffende Kehle spuckt Blut
fast tut er mir leid
Nun ist er still
er schaut nicht mehr zu
ich räume ihn weg
denn hier im Bett
schläfst heut Nacht du –
Sieben
Ich trink das nicht
Ich schlaf nicht ein
Lass das Licht brennen
Sonst fällt mir alles wieder ein
Ich bin wach
Ich lebe noch immer
Das Bein – es schmerzt
Wird täglich schlimmer
Ich seh‘ hinein
In meine Hände
Der Schnee fällt sanft
Was ist am Ende?
Ich bin alleine
Um mich nur Stäbe
Doch ich tu so
Als wenn es sie nicht gäbe
Diese Ängste
Dieses Quälen
Wachsende Fehler
Er wurde träge
Mutter – Sie nennen es Freiheit
Mutter – Sie nannten es Flucht
Mutter – Bin ich entkommen?
Mutter – Oder bin ich verflucht?
Vater – Ist heut mein Geburtstag?
Vater – Wie alt werde ich?
Vater – Nicht schon wieder sieben
Vater – Wann seh‘ ich dich?
Ich trink das nicht
Ich schlaf nicht ein
Lass das Licht brennen
Sonst fällt mir alles wieder ein