Über Epik

Epik ist endlich erwacht! In sieben Kapiteln stehen sieben Leben und sieben Tode. In kraftvollem, zerreißendem, fast epochalem Antlitz wiegen sie ihr Wollen in unser Ohr.

Mit Stücken wie „Wenn es leise wird“, „Mir ist das Bild“ und „Wie ein Gewittern“ lassen wir einmal mehr Schicksale lebendig werden und erzeugen dabei eine Atmosphäre, die den Hörer ein eine unglaublich feinfühlige und faszinierende Gedankenwelt entgleiten lässt.

Das bereits 6. Studio-Album „Epik“ enthält neben eingängigen Balladen sehr treibende und kraftvolle orchestrale sowie gitarrenlastige Stücke. Diese sind charakteristisch für SINNFLUTs musikalische Weiterentwicklung seit ihrer Gründung 1998.

An diesem bislang vielschichtigsten und komplexesten Werk wirkten auch Gastmusiker wie Michael Krahn (Gitarre) und Natalie Pereira (Gesang, The Blue Season / Envinya) mit.

Besetzung
Musik: SINNFLUT
Texte: Manuel Bartsch
Gaststimme: Natalie Pereira in „Mir ist das Bild“ und „Sie atmet nicht einmal“
Gitarre: Michael Krahn in „Eine Last voll Glück“ und „Wortkarg“

Sinnflut sind
Magnus Bartsch, Manuel Bartsch

Lyrics

„Damit kann man leben“ denkt er sich
Nur weiß er nicht wie weit.
So legt er still die Zeitung auf das Brett
Und stellt sich vor, das Werk wär’ sein.
Seit Kindesbeinen an war er schon hier
Und legte fleißig sich ins Zeug
Und während er die Zeitung brachte,
Hat er stets von dies und jenem
Und was er werden wollt’ geträumt.

Doch zwanzig Jahre später noch
trägt er die gleichen Stapel hin und her
Und immer noch mit diesen Händen,
Die gerne etwas anderes wär’n.

Oft stand er vorne an der Kasse
Und starb vor Sehnsucht fast und Neid.
Da er all’ die Stifte sah
Stellte er sich vor, ein einzelner wär’ sein.

„So wird’s schon gehen“ denkt er dann
Und strengt sich gleich besonders an.
Auch ist da jetzt ein kleines Lachen,
Auf seinen sonst so schmalen Lippen,
Doch frag’ ich mich wie lang?

Denn noch immer trägt er mienenlos die Stapel
Und legt sie hin für den Verkehr
Und immer noch mit diesen Händen,
Die zu gerne etwas andres wär’n.

Mit all’ der Zeit wuchs ihm ein Buckel,
Doch keiner wusste recht wieso.
Nur das er mehr trug, als die Last der Hefte,
Verstand man schnell als Illusion.

„Das ist das Leben“ denkt er sich
Und weiß nicht mal wie recht er hat.
Früher schloss er immer dann die Augen,
fasste Mut – hoffte tief und wünschte dann
Ein Haufen Glück und noch mehr Kraft!

Heute sinkt er nach der Arbeit oft in sich zusammen
Und streicht sich leicht auf seinem Rücken hin und her.
Und eben das mit diesen seinen Händen,
Die noch immer gerne etwas andres wär’n.

Wenn der Monolog das Zwiegespräch beendet
Und kein Wort das Thema wendet
Wenn deine Blicke nur nach hinten reichen
Und Antworten vor den Fragen weichen
Wenn deine Stimme nur noch nicken kann
Gewinnt die Mimik Oberhand

Und es wird still
Nun sind wir stumm
Und diese Ruhe bringt mich um

Wenn das Schweigen wieder zu mir spricht
Und nie ein Laut die Stille bricht
Wenn ich anfange zu glauben ich sei taub
Und jeder Blick von dir mir meine Stimme raubt
Wenn Sätze in einer Schlucht verschwinden
Werden Töne sich nur an Gedanken binden

Und es bleibt still
Die Ruhe siegt
Und ich werd‘ der erste sein, der flieht

Wenn Wortlosigkeit die Luft zersägt
Und der Schall an den Wänden klebt
Wenn Stimmbänder aufgehört haben zu lachen
Und Träume beginnen Lärm zu machen
Wenn Ignoranz den Laut gefangen hält
Verstummt zuletzt die ganze Welt

Und bleiben wird es still
Für immer und in Ewigkeit
Zwischen mir und deiner Persönlichkeit

Mir ist das Bild nicht aus dem Kopf gegangen
dem du so nachgehangen hast
Mit welchem Gleiten dir die Pinsel klangen
als nach Farbe rufend
du dir entsagtest und deiner Last

Ein Spiegel aus gedachten Tagen
der dir Schwingen gab aus Öl und Leim
der dir half bei deinem Tragen –
und dich schweben ließ und sanft erhob
in ein zartes Glücklichsein

Wie konnte Glas das Sichtbare verbergen
und Silbernes in Goldnes tauchen sehen
wie konnte die Zukunft vor dem Rahmen sterben
der hermetisch seine Tore vor dem Außen schloss
und dich nach innen zog

doch nicht er log –

Da legte eine Glätte sich wie Seide
über deine blasse Haut und dich
Dein Antlitz erhob sich und ward zu einer Augenweide
als dein Lächeln wie eine Jahressonne laut
sich auftat in deinem Gesicht

Der Regen fiel, als ich dich gebar
du lagst in meinen Armen – „Sie hat schon Nacht im Haar.“
Gesprochen hast du deine Worte dennoch leise – ich hab es kaum bemerkt:
„In mir läuft mein Leben ab wie Wasser, an einem hohen Berg.“

zart und zögernd
behutsam und schwach
trat sie die Stufen hinab
doch nicht wie immer –
diesmal war sie wach

vor ihr klang es still
der Wind lag schwer im Wort
das Auf und Ab der Dielen
kam – und ging
nicht wieder fort

ich hab Angst vor diesem Tag
lass mich gehen von diesem Ort
und in ihrem Augenschlag
ging das Meer –
doch ging nicht fort

sie atmet nicht einmal –
sie atmet nicht einmal mehr

sie betrat den prunken Saal

der ihr tausend Augen schenkte
und in einer stummen Wahl
fassten zwei ihr Flehen
deren Blick sie fortan lenkte

ich höre die Schritte, gleich kommen sie an
ich spüre den Atem schon
lass mich fliehen
von diesem Ort
ist denn dass mein Gotteslohn?

plötzlich ward es kalt
etwas stand still
sie ist entkommen ihrer Gewalt
die kein Mensch
ihr halten will

sie atmet nicht einmal –
sie atmet nicht einmal mehr

in federnd weißem Kleid
liegst du nun da –
und mit zärtlich weinendem Neid
streicht dir mein Herz –
durchs frische Haar

sie atmet nicht einmal –
sie atmet nicht einmal mehr

Ich sagte es mit meinem Wimpernschlag
wiederholte es für dich mit meinem Atem
ich schrie es laut mit meinen Augen
und flüsterte den Satz mit meinen Händen
meine Lippen ließen dich die Worte spüren
und mein Herz schlug die Silben im Takt

doch du wartetest auf meine Stimme
überhörtest den Duft der Zeilen
der mit jeder Blume zu dir drang
mit jeder Kerze wollt‘ ich es dir beichten
mit jedem Sonnenstrahle gleich
ich sprach es auch in meinem Geiste
doch meine Stimme war zu schwach

so bist du schließlich fort gegangen
trauertest nicht mal um mich
nie hörtest du den Kanon meiner stillen Worte
der noch heute dich umgibt
denn noch immer flüstert jedes Licht der Kerze
unhörbar leis‘: Ich liebe Dich.

Mir steigt das Kommende auf wie ein Gewittern
Das tobt und friert und mir die Sonne nimmt
Das Grollen kam mir als ein leises Zittern
Das in Wachs gegossen, nur zäh und träge
Mir meine Himmel schminkt

Vor mir lag ein Meer aus uferlosen Wiesen
Das tausendfach die Lichter meiner Horizonte brach
Halm um Halm schien mir in diese Strahlen einzufließen
Da jeder ohnes Gleichen sich bewegte
Und in sich die Freiheit aller Dinge barg

Da begann ein Biegen sich hinabzuneigen
Als würde Gott es selber auf die Erde tun
Und in tausendfachem Leiden
Fingen tausend Gräser an zu ruh’n
Um im Wiegen als ein Ganzes
Sich ihrem Herrn zu zeigen

So fiel die Stille im selben wie der Schatten
Die ein Wachsen in sich hatten und ein Einen
Das, aus dem unendlich Kleinen
Einst ungeboren, sich mir entgegen hob
Als ob sich ihre Heimat die sie längst verloren
In meinem Weinen wiederbot

Doch ehe noch die drohende Gebärde
Sich mir und meiner Erde einvernahm
Stießen Stürme mir, der großen Schwere
und Winde, in den Arm
als wenn es keinen Morgen geben werde

In mir steigt das Kommende auf wie ein Gewitter
Das tobt und friert und mir die Sonne nimmt
Der Blitz formt in seinem Lichte mir ein Gitter
Das mich berührt
Und grell im Donner seiner Augen schwingt

Er kniet vor dem Spiegel seines Lebens
Und schaut zurück in die Vergangenheit
Sich zu erinnern versucht er vergebens
Das Damals getränkt in Vergessenheit

Er wollte ein Stück von seinem Leben
Ihr schenken und allein ihr reichen
Da zerbrach er vor der Gegenwart
Und sah die Zukunft ohne Weichen

Was Ihm blieb war scheinbar nur
Vergessen seine Vergangenheit
Da blickte er zurück ins eigene Leben
Und fand im Spiegel das Abbild der Zeit

Nun ist er, spiegelverkehrt
Dabei das Damals wieder zu erleben
So wird die Lust erhellt –
Und Vergangenheit gegeben

Reviews

Die letzten Vertreter der Neuen Deutschen Todeskunst

Punkte: 10/10

Sinnflut sind zweifelsohne die letzten (mir bekannten) Vertreter der Neuen Deutschen Todeskunst. Eben dieses Subgenre, welches Anfang der 90er Bands wie Lacrimosa, Sanguis et Cinis, Relatives Menschsein oder Law of the Dawn zum Vorschein gebracht hat. Das Leipziger Brüdergespann Manuel und Magnus Bartsch sind seit 1998 musikalisch aktiv und haben sich im deutschen Gothic-Underground einen klanghaften Namen gemacht. Schon am 13. Juni 2008 erschien das 5. Album „Epik“ (und wenn man den „Gefüge“-Zweiteiler getrennt sehen möchte, ist es schon das 6. Album) über das Label Biohazzard Records. Rückblickend lässt sich sagen: „Epik“ war die beste Veröffentlichung in der deutschen Gothic-Musik im Jahre 2008. Höchste Zeit, das aktuelle Werk auch in den “Review-Altar” der schwarzen News zu verewigen …

Wurden Sinnflut früher lediglich als Kopie alter Lacrimosa-Tage belächelt, bewiesen die Leipziger spätestens mit den Alben „Das Vermächtnis“ und „Gefüge“ ihre musikalische Eigenständigkeit. Dieser Weg wird auf dem aktuellen Tonträger fortgesetzt. Insgesamt acht Fragmente bilden sich in genau 60 Minuten Laufzeit zu einem wohlgeformten Ganzen. Nachdem der Hörer im Intro mit rhythmischen Morsezeichen in die passende Stimmung gebracht wird, vergeuden die Brüder im ersten regulären Song „Eine Last voll Glück“ keine Zeit mit Experimenten und zeigen den geneigten Hörer die wirklichen Attribute der Neuen Deutschen Todeskunst. Bands wie Adversus oder ASP haben ja in der Vergangenheit mehrmals die Bezeichnung für die Promotion ihrer fragwürdigen Erzeugnisse missbraucht und beschmutzt. Bei Sinnflut dagegen dominieren von Anfang an das melodische Piano, die rituellen Schlagzeugrhythmen und der genretypische Glockenschlag. Im Laufe des Albums wird eine wahre Instrumentariumsvielfalt aufgezeigt. Streicher, Oboenklänge, Orgel und verschiedene Schlagzeugsets bilden mal ein orchestrales, tiefgehendes Gesamtbild um wenig später dem minimalistischen Wechselspiel zu weichen. Beeindruckend in dieser Musik ist dabei der Fakt, dass die gesamte Musik elektronisch erzeugt wurde. Lediglich die Gitarre wurde eingespielt. An vielen Stellen hat man aber wirklich das Gefühl echte Instrumente zu hören. Die gesamte Musik wirkt keinesfalls kalt und steril, sondern warm und organisch. In den Songs hört man durchgehend die große Liebe zum Detail.

Musik der Neuen Deutschen Todeskunst zeichnete sich durch die melancholische und manchmal recht morbide Grundstimmung aus. Sinnflut machen da keine Ausnahme. Die Texte sind traurig, nachdenklich, melancholisch – keinesfalls depressiv. Die musikalische Untermalung ist düster und trifft genau das was ich unter Gothic-Musik verstehe. Keine Frage, selbst Sopor Aeternus übertrifft man auf „Epik“ in Sachen Melancholie. Ein Lob muss ich auch an Manuel und Magnus in Sachen „Gesang“ aussprechen. Man merkt deutlich, dass die Beiden in den fünf Jahren zwischen „Gefüge“ und „Epik“ deutlich an ihre Stimme gearbeitet haben. Immer noch hat Manuel die deutlich dunklere und Magnus die eher hellere Stimme. Und genau diese Symbiose sorgte schon immer für den unverkennbaren Stil von Sinnflut. Die beiden wechseln dabei zwischen Sprechgesang (entfernt Vergleichbar mit Oswald Henke) und einen wohltuenden melodischen Gesang voller Intensität, Eindringlichkeit und Empfindsamkeit. Als Gastsängerin fungiert übrigens Natalie Pereira (ehemalige Frontfrau der Formation “The Blue Season”), die noch mal eine ganze eigene Note in das Album bringt.

Fazit:
Für mich sind Sinnflut der Inbegriff für die gute alte Gothic-Musik. In dieser Musik kommt das Lebensgefühl auf phänomenale und eindringliche Weise zum Vorschein. Vergesst all die Schlagerprojekte und ach so düsteren Bands in den „unabhängigen“ Szenezeitschriften. Sinnflut zelebrieren die Grundessenz dessen, was man in den späten 80ern und frühen 90ern unter Gothic-Musik verstanden hat. Und das Beste: die Texte haben Inhalt und sind weit davon entfernt sich immer wieder selbst zu rezitieren – wo hat man das in der heutigen deutschen Gothic-Musik schon? Daher kann es auch nix anderes als eine beherzte Höchstwertung geben! Sinnflut haben es sich verdient und ich hoffe, dass die Jungs aus Leipzig noch lange so weiter machen – denn solange wird es auch noch gute Gothic-Musik Abseits von modernen und schwachsinnigen Genre-Klischees geben!

Anchantia

Dark-News.de - Musikmagazin

Im Rausch der Sinne

Bereits das sechste Album des Brüderpaares Bartsch liegt vor mir, bzw. im CD-Player. Und hierfür eine passende Beschreibung mit wenigen Worten zu finden, die denjenigen, denen der Bandname „Sinnflut“ noch nicht allzu viel sagt, diese näher bringt, ist wahrlich nicht leicht.

„Sinnflut“ wird gerne als klassic/dark/wave beschrieben und diese Richtung ist schon gut gewählt. Letztlich aber sind sie dennoch nicht recht zu kategorisieren.

Die neue CD „Epik“ ist wieder eine solche, die man sich nicht mal eben zwischendurch auf die Ohren haut. „Epik“ ist als Gesamtbild zu verstehen, welches sich musikalisch aus acht Mosaiksteinchen (respektive Stücke) innerhalb von einer Stunde als Ganzes zusammensetzt.

Der düstere, mürrische und gleichförmige, deutsche Gesang, der beinahe ein wenig ins gregorianische geht, verbunden mit schweren, düsteren, melancholischen Melodien legt sich wie dünner Schleier über den Hörer und lässt ihn eintauchen, in eine Welt, fernab dieser hektischen in der wir leben.
Texte, bei denen man sich gedacht hat, dass sie noch eine Aussage haben sollen, werden nahezu liebevoll, aber nie kitschig, dargestellt, sodass man sich ihnen voll und ganz hingeben kann.

Man wird regelrecht eingesogen von den Klängen und Tönen, die die ruhige Schwere letztlich äußerst positiv werden lassen.

Die Faszination ist das Hören dieser Balladen, die teilweise treiben, teilweise orchestral oder gitarrenlastig, mit einer wunderbaren gesanglichen Unterstützung von Natalie Pereira unterstützt, daher kommen.

Dennoch werden es die Brüder Bartsch als „Sinnflut“ weiterhin schwer haben. Musik fernab jeglicher Klischees, sinnig und elektronisch unterstützt, ist nicht jedermanns Geschmack. Aber dieses Album ist mehr. Man muss sich nur darauf einlassen. Ein einfach nur richtig gute drei Sterne (gut) Album.

Besonders zu empfehlen sind die Stücke ´Eine last voll Glück´ und ´Wie ein Gewittern´.

Ludger Heitmann